Gierstädter Landwirt bietet Rinder zum Leasen an


Gierstädt. Ringo Liebau hat eine neue Vision für sich, für Gourmets und für Gastronomen entwickelt.

Am Waldrand in Gierstädt, im Haferweg, da, wos nicht mehr weitergeht, sind große Weiden eingezäunt. Ein Häuschen steht neben offenen Stallungen. Ringo Liebau öffnet die Tür. Blonde, kurze Haare, drahtige Figur, kräftige Arme. Der 40-Jährige sprüht vor Enthusiasmus und Elan. Denn er hat eine Idee und von der soll die Welt, nun ja, vorerst wenigstens Thüringen, etwas erfahren.

Die Idee klingt so ungewöhnlich, wie interessant. Ringo Liebau bietet Rinder zum Leasing an. Richtig, Rinderleasing. Fragende Blicke. "Gab es schon, aber mit Schweinen", sagt der junge Mann, dessen Urgroßeltern in Großfahner schon Großbauern waren. Das mit den Schweinen wurde schon früher gern genommen, im genießerischen Thüringen. Man hatte ein Schwein beim Bauern stehen, der mästete es auf Kosten des Besitzers. Am Ende wurde es geschlachtet und verwurstet. Genau oder so ähnlich, will es Liebau machen.

Kühe und Pferde gehörten schon immer und gehören immer noch zum Leben des Blondschopfs. Doch der Vater war dagegen, dass er Agrotechniker werden wollte. "Lern was Gescheites", habe es immer geheißen, sagt Liebau. Er lernte "etwas Gescheites" - Autolackierer. Seine Liebe zu den Tieren indes blieb, auch wenn heute in Erfurt sein Fahrzeugservice-Zentrum, in dem er Chef für 16 Mitarbeiter ist, richtig gut läuft und die finanzielle Basis für seine neue Idee bildet.

Schon als Kind ritt er mit dem Hengst des Großvaters durch die Gegend um Gierstädt, kam dabei oft an dem Haus am Waldesrand vorbei.

Erich Honeckers alte Jagdhütte 2009 gekauft

Damals diente es als Jagdhütte für Staatschef Honecker und Stasichef Mielke, wenn die zwei Mal pro Jahr zur Diplomatenjagd bliesen. Dann wurde es privatisiert und stand 2009 wieder zum Verkauf. Liebau hatte seine Vision und griff zu. Auch bei den 4000 Quadratmetern Land, die dazu gehörten.

Die Vision hatte Liebau aus dem Fernsehen. Das gefiel ihm: Rinderleasing. Er kaufte sich seine ersten Kühe. Harzer Rotes Höhenvieh heißt die vom Aussterben bedrohte Rasse. "Sie hat ein besonders gutes Fleisch, wächst den Händlern aber zu langsam", sagt der Züchter. Deshalb will er es nun selber probieren. Das mit dem Rinderleasing.

Und das soll so laufen: Liebau bietet seine Biorinder, die auch nur Biofutter - Heu, Silage und Grünes von der Weide - zu fressen kriegen, und die viel Bewegungsfreiheit in der freien Natur haben, als frisch geborenes Kalb an. Gegen eine Anzahlung von 500 Euro.

Für jeden der nun folgenden zwölf Monate kommen dann jeweils 100 Euro "Kostgeld" oder "Leasingrate" dazu. Dann haben die Tiere Schlachtreife. Ein Betrieb in Erfurt erledigt das für rund 100 Euro. Und der Besitzer kann sich nun sein zerlegtes Biorind abholen.

Aber was soll man mit einem ganzen Rind? "Ganz einfach", sagt der Visionär: "Portionieren, einfrieren oder abhängen lassen und gleich verzehren. Seine Zielkundschaft sind Gourmets, die bewusst essen, gute, "saubere" Zutaten, bevorzugen, die sich vielleicht kennen und gemeinsam solch ein Rind leasen und dann zum Eigenverbrauch schlachten lassen. Und natürlich Gastronomen mit einem Hang zu guter Küche und biologisch einwandfreien Zutaten.

Wieso soll diese Idee ausgerechnet hier funktionieren? "Weil ich jedesmal, wenn ich ein Rind für mich schlachte, Anfragen von Kaufwilligen bekomme und weil es in Sachsen funktioniert und der Landwirt, der das Rinderleasing dort eingeführt hat, inzwischen Wartelisten hat einführen müssen, weil der Andrang der Gourmets so groß wurde", sagt Liebau im Brustton der absoluten Überzeugung.

Lohnt sich das für den, der das Rind least überhaupt? "Na klar", so der Gierstädter. Und rechnet vor. Gesamtkosten: 1800 Euro. 12 bis 14 Zentner wiegt das Ökorind nach einem Jahr, ausgeschlachtet bleiben rund sechs Zentner übrig. Sechs Zentner von den Knochen bis zum feinsten Filet und Steak. 300 bis 400 Rouladen kriegt man aus einem Rind. Ladenpreis: 9,50 Euro pro Kilo. Beim Filet 48 Euro pro Kilo. Zehn Kilo Filet hat ein Bulle, mindestens. "Ein Tausender Gewinn fällt für den Besitzer da locker ab", ist der Landwirt überzeugt.

Liebau: "Ein Tausender Gewinn ist drin"

22 Tiere - zumeist Mutterkühe - stehen derzeit auf den Liebauschen Wiesen. Für vier bis fünf von ihnen, Jungbullen, könnte die Leasingaktion sofort starten. Ansonsten muss man sich bis Mai 2014 gedulden. Dann kommen die nächsten Jungtiere zur Welt. Und die sollen dann per Leasing vermarktet werden. Dass das was wird, darüber braucht man mit Ringo Liebau nicht zu diskutieren. Da ist er sich sicher. Sonst hätte der Mann, der sonst in Erfurt Autos repariert, in seinen "tierischen Nebenerwerb" in Gierstädt nicht schon 300.000 Euro investiert. "Wers mit eigenen Augen sehen will, ist herzlich in den Betrieb am Haferweg in Gierstädt eingeladen", sagt Ringo Liebau.


Michael Keller / 24.07.13